Amelungsborn • Auslegung • 9. August 2008 • Mette


2. Korinther - 8. Kapitel, Vers 1 – 9 • nach Luther 1912


1 Ich tue euch kund, liebe Brüder, die Gnade Gottes, die in den Gemeinden in Mazedonien gegeben ist.
2 Denn ihre Freude war überschwenglich, da sie durch viel Trübsal bewährt wurden; und wiewohl sie sehr arm sind, haben sie doch reichlich gegeben in aller Einfalt.
3 Denn nach allem Vermögen (das bezeuge ich) und über Vermögen waren sie willig
4 und baten uns mit vielem Zureden, dass wir aufnähmen die Wohltat und Gemeinschaft der Handreichung, die da geschieht den Heiligen;
5 und nicht, wie wir hofften, sondern sie ergaben sich selbst, zuerst dem HERRN und darnach uns, durch den Willen Gottes,
6 dass wir mussten Titus ermahnen, auf dass er, wie er zuvor angefangen hatte, also auch unter euch solche Wohltat ausrichtete.
7 Aber gleichwie ihr in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allerlei Fleiß und in eurer Liebe zu uns, also schaffet, dass ihr auch in dieser Wohltat reich seid.
8 Nicht sage ich, dass ich etwas gebiete; sondern, dieweil andere so fleissig sind, versuche ich auch eure Liebe, ob sie rechter Art sei.
9 Denn ihr wisset die Gnade unsers HERRN Jesu Christi, dass, ob er wohl reich ist, ward er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.



Paulus spricht  im 2. Korintherbrief vom Geld. Er sammelt in den von ihm gegründeten Gemeinden und hier insbesondere in der reichen Stadt Korinth eine Kollekte für die verarmten Christen in Jerusalem. Und er scheut sich nicht, den Christen dort ins Gewissen zu reden: Dass auf der einen Seite des Meeres reiche Christen "im Überfluss", auf der anderen aber bettelarme Christen "im Mangel" leben, das darf nicht so bleiben! Es muss Gleichheit zwischen ihnen hergestellt werden (Vers 14). Sonst respektiert der Apostel ja die Verschiedenheit der Gaben in der christlichen Gemeinde und tritt leidenschaftlich ein für die Gemeinschaft der Verschiedenen (1.Kor 12). Hier aber kämpft er um so heftiger für den Ausgleich im wirtschaftlich – finanziell - materiellen Bereich.

Paulus ruft die Korinther zu einer Jerusalem-Kollekte auf , vielleicht zu der ersten "Brot für die Welt - Sammlung". Im Kapitel 9,7 steht dann auch das bekannte Wort vom Fröhlichen Geber, den Gott lieb hat.Inder Apostelgeschichte 20,35 beim Abschiednehmen von der Gemeinde in Ephesus sagt Paulus: "Geben ist seliger als nehmen". das bekannte Jesuswort.Paulus will seinen Lesern, und damit ja auch uns, einschärfen, dass „Heil und Wohl“ oder, zeitgemäß ausgedrückt "Theologie und Ökonomie", zusammengedacht werden müssen. So gewiss Gottes Gnade sich nicht auf die materielle Situation des Menschen bezieht, so gewiss geht sie aber auch nicht daran vorbei. Das will ja so schwer in den Kopf, noch schwerer ins Herz und am schwersten in die Hand, dass Gott in uns zur Welt kommt, in unseren Worten und Taten. "Dem Hungernden muss Gott in Gestalt von Brot erscheinen", hat Gandhi  gesagt. Aber Brot fällt nicht vom Himmel; Brot muss gebacken werden!

Die Korinther werden von Paulus bei ihrem Reichtum gepackt. "Ich will Ihr Bestes, Ihr Geld", sagt der Moderator bei einer Benefizveranstaltung. So müssen diese Worte des Paulus den Korinthern auch in den Ohren geklungen haben. Gottes Menschwerdung geht nicht am Portemonnaie derer vorbei, die genug zum Leben haben.

Paulus hat zu der christlichen Gemeinde in Korinth offensichtlich großes Vertrauen und stellt ganz zuversichtlich fest: "Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus". Sind wir Teil dieser wissenden Gemeinde?

Worin die Gnade Jesu Christi besteht, erläutert Paulus mit dem Gedanken des Tausches, des Austausches von Reichtum und Armut:

"obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet."

Der Reichtum Jesu besteht darin, dass Jesus im Licht der Liebe Gottes lebt, im Vertrauen auf ihn, unter seinem "Wohlgefallen".
Menschliche Armut hingegen besteht in unserem natürlichen Mangel an solchem Reichtum, bis dahin, dass Menschen sich von Gott verlassen fühlen.

Sich verschenken, arm werden, um reich zu sein.

Jesus war arm.  Er fuhr in einem Boot über den See, das einem andern gehörte. Er verteilte Brot und Fische, die andern gehörten. Er feierte in einem Haus, das andern gehörte. Er ritt auf einem Esel in die Stadt, der einem anderen gehörte. Er wurde in ein Grab gelegt, das einem andern gehörte.  Ein armes Leben, erst recht nach unseren heutigen Begriffen.
Damit hat er viele reich gemacht. Die Ehebrecherin, die er vor dem Tode gerettet hat,   Der Blinde, dem er die Augen geöffnet hat. Den Stummen mit dem bösen Geist hat er geheilt; Zachäus, der nach der Begegnung mit ihm in seinem Leben aufräumt; die Samariterin am Brunnen mit den vielen Männern; der an Körper und sozialen Beziehungen Gelähmte am Teich Bethesda; der kranke Bettler an der  Pforte des Tempels; Nikodemus, der ihn bei Nacht und Nebel besucht; der eine der Verbrecher am Kreuz - die Reihe ließe sich fortsetzen -, ihnen allen hat er seine Zuwendung geschenkt, sie dadurch reich gemacht, auch noch nach seiner Kreuzigung, durch das Wirken seiner Jünger. Er hat Menschen die Zuwendung Gottes erleben lassen, er hat sie heil und damit reich gemacht, aus Schuld befreit und ihnen ihre Selbstachtung wiedergegeben.
Gnade - das ist auch aus den kurzen Worten des Apostels Paulus herauszuhören: Gnade ist der Inbegriff gütigen Gebens, unverdient empfangen, aber gern gegeben.


Hanns Hoffmann, August 2008



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