Preußische Architektur?  -  ein Anlass für Gedanken zur Baukultur




Altes Museum
Karl Friedrich Schinkel · Altes Museum · Berlin (1828)



Karl-Friedrich Schinkel
Karl Friedrich Schinkel (1781-1841)

Beim Namen „Preußische Architektur“ denkt man sofort an den Architekten und Maler Karl Friedrich Schinkel (1781 - 1841), einem der bedeutendsten Baumeister und Architekten des 19.Jahrhunderts.

Als gebaute Beispiele:

Die Neue Wache in Berlin (1816-18), durch Ausbau im Innern von Tessenow 1931 zum Ehrenmal umgestaltet, seit 1993 nationale Zentrale Gedenkstätte Deutschlands, das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (1818-21) und das Alte Museum (1824-30), neue Eingangshalle im Bau (Architekt Chipperfield) in Berlin, die Nikolaikirche (Potsdam), die Bauakademie, das Schloss Charlottenhof
im Park von Sanssouci.

 

Sanssouci
Schloss Sanssouci Potsdam (Foto:Raimond Spekking)


Weltkulturerbe, das Schloss Sanssouci (ohne Sorgen), als Architekt Hofbaumeister Georg Wenzel von Knobelsdorff (1699-1753). Friedrich der Große als Bauherr und Architekt, mit eigenhändigen Zeichnungen und Plänen.

Das architektonische Kleinod Zeughaus, von Andreas Schlüter, Architekt und Bildhauer (1664 – 1714), im Innenhof die „Masken der sterbenden Krieger“, jetzt Historisches Museum, erweitert 2003 von dem Architekten Pei (Louvre).
Ebenfalls von Schlüter: das Berliner-Stadtschloss (das Spukschloss an der Spree, das leider als Rekonstruktion wieder in den märkischen Sand gesetzt werden soll!?).

Am 1. September 1895 wurde die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche eingeweiht, als ehrendes Denkmal für Kaiser Wilhelm I., ein neoromanischer Bau mit gotischen Elementen. Jetzt Ruine mit zeitgenössischem Turm, Wahrzeichen, Architekt Egon Eiermann (1904-1970).


Gedächtniskirche
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche


Der Reichstag (1884 –1894), 2 Wettbewerbe, International und National, gebaut wurde in Paul Wallots „Artifiziellem Reichsstil“ (keine hochkommende Moderne, wie bei den Bauten von Friedrich Schinkel, Peter Behrends und Alfred Messel), 1993 Verhüllung durch Christo, Erneuerung von Sir Normann Foster 1999.


Reichstag
Reichstag mit neuer Kuppel


Dies waren Beispiele von berühmten Bauten und ihren Architekten in Preußen, aber sicher keine preußische Architektur (?), sondern Bauten von Bauherrn und ihren Architekten, im preußischen Geist hervorragend geplant und ausgeführt.

 

Architektur gliedert sich in Epochen:

Prähistorische Architektur, Architektur der frühen Hochkulturen, der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Moderne. Untergliederung in griechische, römische, byzantinische Architektur. Sodann Romanik, Gotik im Mittelalter. In der Neuzeit: Renaissance, Barock, Klassizismus, Historismus (Neoklassizismus), und die Moderne, mit Jugendstil und Bauhaus.

Die Bauherren und Ihre Architekten in Preußen haben also Barock, Klassizistisch oder Neo- Klassizistisch gebaut. Es gibt keine Preußische Architektur, wie es auch keine französische, englische oder italienische Architektur gibt, sondern Baustile im landestypischen Geist und den entsprechenden Ausprägungen.

Es gibt auch kein Preußen mehr. Es war das Land mit der weltweit kürzesten Lebensdauer, je nach Meinung, von der Königskrönung 1701 bis zur Kaiserkrönung in Versailles 1872 oder bis zum Kontrollratsbeschluss 1947, also nur ein Alter von ca. 170 oder 240 Jahren und trotzdem ein Land mit weltweiter Bedeutung und von größtem Einfluss. Der Name überlebt noch in der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ (17 Museen in Berlin), jetzt gerade Wechsel in der Spitze von Klaus-Dieter Lehmann zu Hermann Parzinger (Bayer) auf dem „Preußenthron“. Demnächst Umwandlung in eine Deutsche Nationalstiftung?

Über Preußen ist Viel und Bedeutendes geschrieben und wird wohl noch geschrieben werden, 3 Titel: Preußens Aufstieg und Niedergang (Christopher Clark), Maß und Maßlosigkeit (Marion Gräfin Dönhoff), Abschied von Preußen (Wolf Jobst Siedler). Militarismus, Kadavergehorsam, Soldatenkönig, die langen Kerle, „So schnell schießen die Preußen nicht“, der siebenjährige Krieg. Aber auch die Stein- Hardenbergschen Reformen, die Humboldtuniversität, demnächst das Humboldtforum. Mit Voltaire wird Preußen zum Zentrum der deutschen Aufklärung. Blücher, Gneisenau, Clausewitz, Bismarck, der eiserne Kanzler, die Schlachten bei Jana uns Auerstedt die Völkerschlacht, Waterloo. Emanuel Kant, Schleiermacher, von Humboldt, von Niebuhr, Bunsen.......

Die genannten Baumeister waren alle in der Preußischen Baubehörde tätig, (Schinkel als geheimer Oberbaurat des Staatsbauamtes) Schlüter und Knobelsdorff wurden später in Ungnade entlassen. Sie alle waren für die hohe Baukultur in Preußen verantwortlich.


Neue National-Galerie
Neue National-Galerie Berlin (1968, Mies van der Rohe)

Auf Schinkel berufen sich noch immer viele Architekten, wenn es um Baukultur geht oder bezeichnen sich als Schinkel-Schüler, nicht nur Persius und Stühler als unmittelbare Nachfolger und Vollender seiner Bauten, sondern auch Gropius, Mies van der Rohe (Nationalgalerie), Chipperfield (Altes Museum) und Axel Schultes (Kanzleramt). Leider auch Spukschlossrekonstrukteure, unbelehrbar vom modernen Geist eines Schinkels, die zusammen mit den ewig gestrigen "Wiedergängern" der Deutschen Kulturpolik eine, hoffentlich erfolglose, Provinzposse inszenieren wollen.

Baukultur heute? – Globalisierung – Solitäre, die sich nicht einfügen – Eventarchitektur - Die Nullenergie-Stadt, bereits im Bau – mehr als die Hälfte der Menschheit lebt in Megapolen (Städte mit über 10 Millionen Einwohner) – Unwirtlichkeit der Städte - Sanierung – Stadt- reparatur – riesige Ballungszentren in Asien (China), Südamerika (Brasilien). Wie werden wir künftig leben und unsere Welt gestalten?

Ich zitiere Hanno Rauterberg, aus dem Buch „Worauf wir bauen – Begegnungen mit Architekten“, im Prestel Verlag:

"Die Visionäre von einst konnten von Kristalltürmen, Muschelhäusern und Architektur- Ufos nur träumen, jetzt werden sie tatsächlich gebaut. Auch wenn die Trockenlegung des Mittelmeers wohl noch etwas auf sich warten lässt – an Kühnheit sind die vielen spektakulären Museen, Fußballstadien und Bürotürme der letzten Jahre nicht zu überbieten. Manche sind mit so viel Schwung gebaut, als wollten sie im nächsten Moment abheben in höhere Sphären. Andere sind von schillernder Eleganz oder stillerhabener Größe. Und alle feiern sie sich selbst, ihre stolze Andersartigkeit. Es ist, als hätte die Avantgarde doch noch gesiegt! Unser Zeit- und Raumgefühl hat sich verändert, das zeigen die Bauten. Nichts anderes wollten ja die frühen Visionäre: die Massen mobilisieren, das Volk gewinnen. Und nun strömen die Menschen herbei und begeistern sich für die neuen Wunderbauten. Sie reisen selbst in entlegene Winkel wie Wolfsburg oder Vals, nur um sagen zu können: Ich war bei Hadid, ich war bei Zumthor. Architektur ist zur großen Verlockung geworden. Und was tut die Welt? Sie sieht die Zeichen und freut sich darüber. Und verändert sich viel schneller, als es den Architekten lieb sein kann."

Ich glaube an das Canticum Cantorum, das hohe Lied unserer Städte und deren Architekturen, die blühen, wachsen und weiter gedeihen werden.

Hanns Hoffmann 5. März 2008

 

Sydney
Sydney, Skyline mit Opernhaus

(Die Bilder des Vortrages stehen zum Download auch als Powerpointpräsentation bereit)
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